Im ersten Artikel zur Wirklichkeitskonstruktion sind wir der Frage nachgegangen, wie man die Wirklichkeit mit Modellen beschreiben kann. Dabei haben wir uns auf eine Wirklichkeit und verschiedene Abbildungen einer Realität beschränkt. Wie kann man sich der Beschreibung der Wirklichkeitserfahrung nähern, wenn man verschiedene Modelle miteinander verschränkt? Wie kann selbst eine differenzierte Wirksamkeitserfahrung machen indem man Modelle miteinander kombiniert?
Nehmen wir als einfaches Beispiel an wir hätten zwei Karten. Eine in der alle Gasthäuser mit ihren Eigenschaften wie Bettenanzahl, Öffnungszeiten, Art der Küche, Sternebewertungen usw. verzeichnet sind. Eine andere die schlicht zum Wandern dient. Beide Karten sind für eine Region in Südfrankreich aktualisiert auf das letzte Jahr. Was wäre nun, wenn wir beide Modelle der Wirklichkeit miteinander kombinieren? Welchen Mehrwert generiert das? Würden man nicht auf den Gedanken kommen als Wanderer die Tour so zu planen, das man Abends mit einem kühlen Pils auf den Erfolg der Wanderung im erreichten Gasthaus anstößt um dann nach erholsamen Schlaf die Tour fortzuführen?
Es gibt dutzende von Beispielen, wo Modelle aus der Kybernetik mit soziologischen oder psychologischen Modellen "gekreuzt" wurden. Eines ist z.B. das Viable System Model (VSM), welches die Grundelemente der Kybernetik mit Modellen des Organisationsmanagement zusammenführt. Aber warum auch nicht, wenn durch die Überschneidung von Modellen ein Mehrwert entsteht und aus dem neuen Modell ein höherer Nutzen für die Einflussnahme auf unser eigenes Leben und die Wirklichkeit steigt?
Der kreative Umgang mit Modellen, also der Anreicherung eines Modells mit anderen Modellen birgt wunderbare Potentiale in sich die eigene Wirklichkeitserfahrung zu erhöhen. Das kann ebenso helfen die eigene Selbstwirksamkeit zu steigern. Allein bei dem Punkt muss erwähnt werden, dass das Konzept der Selbstwirksamkeit auch ein psychologisches Modell ist. Das ändert aber nichts an der Aussage. Im Grundsatz ist die Botschaft: "Gestalte dein Leben für Dich und dein Umfeld mit deinen individuellen Fähigkeiten". Nennen wir es Wirksamkeit, Altruismus oder wie auch immer. Wesentlich ist, dass wir reflektierte Wesen sind und sowohl die Gabe, wie die Bürde haben Denken zu können. Um also unseren Platz in der Wirklichkeit zu finden ist es hilfreich die Konstruktionen der Wirklichkeit zu nutzen. So helfen uns Modelle unser persönliches System kennenzulernen und uns dadurch zu entwickeln, unseren Schwachstellen arbeiten und unsere Stärken ausbauen.
Zudem ermöglicht uns das Verständnis der Modelle, wie wir uns unsere Wirklichkeit konstruieren. Indem Modelle komplexe Zusammenhänge vereinfachen und Lösungen entwickeln, können auch komplexe Ziele effektiver erreicht werden. Es lohnt sich daher, sich mit modellbildenden Theorien auseinanderzusetzen und sie auf das eigene Leben anzuwenden. Es ist wichtig, kreativ Modelle zur Optimierung unserer Wirksamkeit zu entwickeln, indem wir uns von eingefahrenen Denkmustern lösen und offen für neue Ideen sind. Die Entwicklung solcher Modelle eröffnet neue Perspektiven und hilft uns dabei, unsere Ziele schneller zu erreichen und uns selbst Weiterzuentwickeln.
Praktisch alles was uns umgibt oder was wir im Alltag nutzen ist durch Modelle entstanden. Die Naturwissenschaften haben die Wirklichkeit eingefangen und beherrschbar gemacht über Abbilder der Natur. Ebenso haben Psychologie und Soziologie soziale Systeme beschreibbar gemacht über Abbilder sozialer Interaktionen.
Theorien sind Netze, in denen wir fangen, was wir "die Welt" nennen; mit ihnen machen wir die Welt unserem Verstand zugänglich, erklären und meistern sie. Dabei bemühen wir uns, die Maschen des Netzes kleiner und kleiner zu machen [1].
K. Popper
Theorien und Modelle sind empirisch und/oder wissenschaftlich begründete Aussagen über die beobachtete Wirklichkeit, die eine bestimmte Perspektive der Wirklichkeit erklären. Zu oft wird dabei in Schule, Universität und Beruf erklärt “So ist die Welt”. Die vielen Fragen und die Hintergründe, die zu diesen Modellen geführt haben, werden kaum vermittelt. So entgehen uns die historischen Kontext der kreativen Denkprozesse und Modellbildungen der Modellbildner. Was motivierte Einstein zu seiner Relativitätstheorie? Warum beschäftigten sich Debye und Hückel mit einem Modell um elektrostatischen Wechselwirkungen von Ionen in Elektrolytlösungen zu beschreiben? Warum begann Luhmann seine Systemtheorie?
Alle Modellbilder hatten Fragestellungen, die nicht mit gängigen Modellen die Wirklichkeit erklärten. Das Wissen zu dieser Zeit offenbarte Lücken in der eigenen Wirklichkeitserfahrung, weshalb die Modellkünstler dieser Zeit in fantasievoller Modellbildung kreativ wurden.
Phantasie/Vorstellungskraft ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt [2].
Albert Einstein
Wenn wir uns selbst und unserem Umfeld nicht erlauben kritische und kreative Fragen zu stellen, dann verpassen wir vielleicht ein ganzes Universum an kleinen Wundern und faszinierenden Entdeckungen. Wenn wir anderen erlauben uns alle Antworten unseren Lebens zu geben, ohne diese zu hinterfragen, dann wird dies ganz sicher nicht unsere Mündigkeit und Wirksamkeit erhöhen.
Wir müssen unbedingt Raum für Zweifel lassen, sonst gibt es keinen Fortschritt, kein Dazulernen. Man kann nichts Neues herausfinden, wenn man nicht vorher eine Frage stellt. Und um zu fragen, bedarf es des Zweifelns [3].
Richard P. Feynman
Alle wissenschaftlichen Modelle um uns herum sind Modelle, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Es sind Abbilder einer viel größeren Realität, die noch so viel bereithält. Glaubst du das? Fühlst du nicht auch die eine oder andere (transzendente) Wirklichkeit, für die dir die Worte fehlen und du dennoch das Gefühl hast: Da ist mehr? Hast Du dir schon einmal die Frage gestellt ob es eine Matrix gibt und was sie ist? In einem gewissen Sinn sind die Abbilder unserer Wirklichkeit eine beschreibende Matrix einer größeren noch unerforschten Realität.
Durch die Entstehungsgeschichte der Modelle, ihren Fragen und ihre Anwendung können wir erkennen, welche Modellfaktoren in unserem positiv oder negativ auf uns wirken und wie wir diese beeinflussen können. Somit ermöglicht uns die Kenntnis von Modellen und ihren Kontexten eine bessere Selbstreflexion und eine gezieltere Gestaltung unserer eigenen Wirksamkeit. Wir lernen dadurch nicht nur unsere eigenen Stärken und Schwächen besser kennen, sondern auch wie wir durch das Bewusstsein über Feedbackschleifen und Wechselwirkungen unser Leben erfolgreich meistern können.
Magst du Kinofilme? Als ich mich damals an der Kinokasse sehr spontan für den Film Matrix entschieden hatte, bin ich nach dem Abspann des Film hinten aus dem Kino raus und vorne wieder rein, schlicht um den Film gleich ein zweites mal zu schauen. Der Film Matrix war bislang der einzige Film, den ich am gleichen Tag gleich zweimal im Kino geschaut hatte.
Ich meine es gibt einen Zusammenhang des Filmes Matrix mit unseren Thema der kreativen Modellinterpretation. Welchen? Das erkläre ich dir in einer Antwort des Zusammenhangs der Filme Matrix und Lego Movie.
In beiden Filmen gibt es einen Protagonisten, dessen Leben als unauffälliger gewöhnlicher Mensch beginnt. Er hebt sich nicht von der Allgemeinheit ab und schwimmt im Strom der Konformität. Das Leben dieser Menschen nimmt eine dramatische Wendung, als sie einem Mentor begegnen, der ihnen offenbart, dass ihre bisherige Wahrnehmung der Welt ungenau und unvollständig ist. Durch diese Erfahrung erkennen sie, dass die Welt noch viel mehr zu bieten hat als bisher erkannt und dass sie dazu auserwählt sind, ihre jeweilige Welt zu retten. Dafür erwerben sie neue Fähigkeiten, um die Welt um sich herum mit anderen Augen zu sehen und kreativ zu gestalten. Beide haben Zweifel an ihrem Selbstvertrauen und erfahren jedoch auch, dass sie selbst und alle anderen die einzigartigsten und besondersten Menschen sind, die es gibt. Jeder hat jederzeit die Möglichkeit, alles zu verändern. Schließlich werden beide zu selbstwirksamen Meistern ihrer Realität und bringen Hoffnung für alle anderen Menschen.
Wenn ich mich umschaue, dann sehe ich Individuen, die sich inspirieren lassen. Menschen die aus dem was Modellbauer gemacht haben etwas Neues machen. Du bist die begabteste, interessanteste und außergewöhnlichste Person im ganzen Universum. Du bist zu den außergewöhnlichsten Dingen im Stande, den du bist "Der Besondere" - so wie ich, so wie alle anderen auch.
Emmet Brickowski - Frei interpretiert nach Lego Movie
Das Bewußtsein der Modellbildung unserer Wirklichkeit und die Anwendung der Modelle ist ein wichtiger Schritt die eigene Wirksamkeit zu verbessern. Jedes Modell dient einem Zweck die Komplexität unserer Welt zu reduzieren und sie so unserem Handeln und unsere Entscheidungsfindung zugänglich zu machen.
Durch kreativen Umgang mit Modellen kann jeder seine eigene Selbstwirksamkeit steigern. Durch die Anwendung der modellbildenden Theorien auf das eigene Leben können individuelle Systeme und ihre Elemente identifiziert werden. Die Analyse von Wechselwirkungen und Feedbackschleifen im eigenen System ermöglicht es, ein kreatives Modell zur Optimierung der eigenen Wirksamkeit zu entwickeln. Dabei ist es wichtig, das Modell in konkrete Handlungsstrategien umzusetzen und den Erfolg regelmäßig zu messen. Nur so kann eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Modells stattfinden und die eigene Selbstwirksamkeit gestärkt werden. Insgesamt bietet die kreative Modellbildung somit eine effektive Möglichkeit für jeden, seine Ziele zu erreichen und sein Potenzial voll auszuschöpfen. Sei "Bob der Baumeister". Sei "Emmet Brickowski". Sei "Neo".
Herzlichst,
Matthias
Quellen